Richtungswechsel
Beispiele zu grundlegenden Wechseln der Richtung in der Ausgestaltung eines Wohnprojektes, hier exemplarisch Wohnprojekt staTThus in Husum
Über allen Richtungswechseln gibt es den Verlust der Leitlinien zu beklagen. Im Zusammenhang mit diesem Verlust haben vier Partien (Bewohner:innen von vier Wohnungen) das Projekt verlassen.
Ausgangslage
Bis zum März 2020 beruhte das Zusammenleben im Gebäude Trommelberg 11, später Pestalozziring 11 – 11g, vorwiegend auf Abmachungen, die bereits in den Leitlinien im Jahre 2014 festgehalten wurden. Prominent ist dabei die Abmachung, dass alle Mitglieder gleichberechtigt sein sollten. Ausdruck fand dies in der Abmachung darin, dass die Organe, Vorstände und Aufsichtsräte, nichts entscheiden durften, was nicht im Plenum aller Mitglieder und im Konsens zuvor entschieden wurde, und dass diese Organe im Rotationsverfahren alle 2 bis 3 Jahre ausgetauscht werden sollten. Es wurde insbesondere den Vorständen im Rahmen ihres Wechsels auf diesen Posten mit auf den Weg gegeben, dass sie die Genossenschaft lediglich verwalten sollten und dies wurde von den Vorständen im Plenum jeweils so anerkannt.
- warum Abmachungen?
Es sind deshalb Abmachungen, weil diese Leitlinien nicht mit den laut Genossenschaftsgesetz geltenden Regeln und der Satzung der Genossenschaft, die diese Regelungen einhalten muss, in Einklang gebracht werden konnten. Wenn also ein Vorstand sich nicht mehr an die getroffene Abmachung halten wollte, hätte dieser dies jederzeit tun können, ohne gegen gesetzliche Regelungen zu verstoßen, im Gegenteil, der Genossenschaftsverband würde dies so kommentieren müssen, dass dieser Vorstand alles richtig machen würde. Intern lässt dieser Vorstand die Abmachung dann fallen und müsste sich dem Plenum dazu erklären.
Wenn es im Plenum eine Diskussion zu den Abmachungen und Leitlinien gegeben hätte, wäre so eine Modifikation dieser Abmachungen möglich gewesen, bis zum März 2020 war dies jedoch nie der Fall. Man hätte im Plenum sagen können, dass man die Basisdemokratie für eine Illusion hält und Änderungen möchte, als Beispiel. Ab März 2020 gab es keine Abmachungen mehr, sondern Vorstände, Aufsichtsräte, Beiräte... und es gab gemeine Mitglieder.
I Die Abrechnung der Kosten für Heizung und warmes Wasser
Ausgangslage im Konsens
Ein Wohnprojekt beschließt im Konsens der Gruppe eine solidarische Heizkostenabrechnung. Was bedeutet das?
- Das Gebäude hat 23 Wohnungen, die sehr unterschiedliche energetische Voraussetzungen haben.
- Einige Wohnungen sind von 5 Seiten aus schön warm eingepackt
- Einige Wohnungen sind von 1 Seite halbwegs warm eingepackt, sie haben an vier Seiten Kontakt zur Außenluft und konnten wegen der Bedingungen das Denkmalschutzes nicht besser gedämmt werden.
- Es gibt demnach große Unterschiede in dem Bedarf von Heizenergie pro Wohnfläche, die Bewohner:innen können dies nicht ändern.
Wie kann hier eine solidarische Abrechnung erfolgen?
Unsere im Konsens beschlossene Lösung bestand darin, keine Zähler für die Wohnungen einzubauen. Der Zähler sitzt an der Heizungsanlage (zentral) und die Abrechnung erfolgt nach dem Modell "Gesamtkosten geteilt durch Gesamtwohnfläche mal Wohnfläche der Wohnung. Damit erhalten sämtliche Wohnungen die gleichen Voraussetzungen, was als solidarisch angesehen wurde.
Bereits in der Vorgängergruppe "Trommelberg" gab es diesen Ansatz, der hier auch die Wohnungen im Altbau mit den Wohnungen im Neubau solidarisch erfassen sollte.
Weiterer Vorteil dieser solidarischen Abrechnung:
- inzwischen sind die Kosten für die monatliche Miete der Ablesegeräte und die Abrechnung durch die Unternehmen, welche auch ablesen, so hoch, dass diese Ablesekosten mit den Kosten für Energie konkurrieren. Dies haben auch andere Wohnungsbaugenossenschaften erkannt, auch konventionelle. Diese Genossenschaften nennen das Flatrate, nicht Solidarabrechnung. Wahrscheinlich ist das Wort "Solidarität" inzwischen negativ besetzt.
Müssen Zähler eingebaut werden? Offensichtlich nicht unbedingt. Es wurden keine Zähler eingebaut, weil wir dies so entschieden hatten und die Fachplaner diesen Weg mit gegangen sind. Es müssen dann keine Zähler nachträglich eingebaut werden, wenn der zusätzliche Einspareffekt (der Energiekosten) die Kosten für die nachträgliche Installation übersteigt. Dies ist regelmäßig der Fall. Die Wohnungsbaugenossenschaft "GEWOBA-Nord" mach dies anders: Sie bauen Zähler ein, lesen diese jedoch nicht ab und lassen sich dieses Vorgehen von den Mieter:innen unterschreiben. Schade nur, dass die Kosten für die Zähler und der Aufwand der Zähler in der CO2-Bilanz bestehen bleiben.
Es gibt auch einen Nachteil dieser Abrechnung: Persönliche Entscheidungen, die Einsparung von Energie ernster zu nehmen als der Durchschnitt, kommen nur zu einem geringen Prozentsatz bei den Entscheider:innen an. Anders herum: Es gibt keine direkte Handhabe gegen Energieverschwender, die im Winter in Shorts und Trägerhemden durch ihre Wohnung schlurfen. In einem Wohnprojekt rechnet man eher nicht mit solchen Energieverschwendern, muss aber tief durchatmen, wenn man größer denken will. Man kann dieses Problem im Plenum ansprechen, wenn das Plenum eine freie Äußerung ermöglicht.
Die Wohnungseigentümergemeinschaft der WEG staTThus Wohnprojekt entscheidet, auch mit den 19 von 23 Stimmen der Genossenschaft, dass Verbrauchszähler installiert werden. Die Zähler werden von den üblich verdächtigen Dienstleistern abgelesen und so soll die Abrechnung erfolgen. Die ehemals im Konsens entwickelte solidarische Heizkostenabrechnung kommt abhanden. Wie diese Kosten finanziert werden sollen, verrät der Beschluss nicht.
Eine Begründung: Man müsse dies aufgrund der gesetzlichen Vorgaben so tun. Dies ist tatsächlich nicht so, wie bereits in diesem Text erläutert, und diese Informationen lagen mindestens den Personen vor, welche in der WEG über diesen Beschluss abgestimmt haben. Die WEG fällt diese Entscheidungen maßgeblich mit dem Gewicht der Stimmen der Genossenschaft (19), nicht mit den Stimmen der übrigen vier Eigentümer:innen (4) und bei letzteren gab es keine Einstimmigkeit.
Spannend dürfte die Reaktion derjenigen Bewohner:innen sein, deren Heizkosten sprunghaft ansteigen werden, zusätzlich zu den Kosten der steigenden Energiepreise. Für die warm eingepackten Wohnungen ist natürlich ein Plus.
II Die Auswahl der Energieversorger
Ausgangslage im Konsens
Ein Wohnprojekt beschließt im Konsens der Gruppe eine Beauftragung von Energieversorgern, die nicht mit Atomstrom in Verbindung gebracht werden können. Zusätzlich wäre ein Versorger gut, der regional agiert und die normale Strombörse verlassen hat. Was bedeutet das?
- Die Bewohner:innen haben sich gut informiert. Für einen Bewohner kommen die Husumer Stadtwerke beispielsweise nicht in Betracht, weil diese ein Tochteruntrnehmen von EON sei. Wir laden einen lokalen innovativen Stromversorger ein, der sich von der Strombörse getrennt hat und lokalen Strom, der sonst vielleicht abgeschaltet wird, lokal anbietet. Der Strom ist zwar teurer, aber ökologischer, als der Strom anderer Anbieter. Die Entscheidung ist für die Wärmepumpe und den Allgemeinstrom bindend, die Bewohner:innen sind für die Wahl eines Versorgers ihrer Wohnung frei.
Richtungswechsel
Die Wohnungseigentümergemeinschaft der WEG staTThus Wohnprojekt entscheidet, auch mit den 19 von 23 Stimmen der Genossenschaft, dass künftig die Husumer Stadtwerke den Strom für die Wärmepumpe und den Allgemeinstrom liefern, weil dies billiger ist.
Der Bewohner, welcher nicht mit den Stadtwerken zusammen arbeiten wollte, wohnt dort weiterhin. Die Formel lautet: Ich habe eine andere Meinung als die Genossenschaft
III Die Auswahl der Hausbank der WEG
Ausgangslage im Konsens
Ein Wohnprojekt beschließt im Konsens der Gruppe, mit einer Bank zusammenzuarbeiten, die ihr Geld weder mit Kinderarbeit, Waffen noch Klimakillern verdient. Die Genossenschaft entscheidet sich für eine der Ethik- und Umweltbanken: Die GLS-Gemeinschaftsbank. Die Genossenschaft wickelt ihre Finanzierung des Bauvorhabens mit dieser Bank ab und erwirbt Genossenschaftsanteile der Bank. Wer als Miter:in das Finanzierungsangebot der KfW für den Erwerb von notwendigen Genossenschaftsanteilen der staTThus eG nutzen will, muss auch ein privates Konto bei der GLS-Bank einrichten. Das Konto der Genossenschaft muss über die Zeit der Tilgung der Verbindlichkeiten (etwa 32 Jahre) bei der Bank verbleiben.
Richtungswechsel
Die Wohnungseigentümergemeinschaft der WEG staTThus Wohnprojekt entscheidet, auch mit den 19 von 23 Stimmen der Genossenschaft, dass künftig das Konto der WEG staTThus Wohnprojekt bei einer Tochter der Bayrischen Landesbank geführt wird, weil es billiger ist. Wer etwas über diese Bank wissen möchte, fängt bei der Recherche bei der Bank an, über welche ein Milliardenkredit der BRD an die DDR abgewickelt wurde. Die Bayrische Landesbank ist in vielen Bereichen tätig, in denen sich ein Wohnprojekt eher nicht gerne wieder sehen mochte, bevor es einen Richtungswechsel gab.